Ich lebe seit über 35 Jahren im selben kleinen Haus in der Mangostraße. Hier habe ich meine beiden Kinder großgezogen, Stürme überstanden, Renovierungen durchgemacht, Waschbären auf dem Dachboden gehabt und mehr Rechnungen bezahlt, als ich zählen kann. Und ich habe meinen Mann Tom viel zu früh verloren.
Heute lebe ich allein – in Frieden. Ich kümmere mich um meinen Garten, halte mich aus allem raus und hänge bei schönem Wetter meine Wäsche draußen auf. Die Wäscheleine, gespannt zwischen zwei Pfosten im Garten, ist ein Stück meines Lebens – voll Erinnerungen.
Doch alles änderte sich, als Rafael nebenan einzog.
Anfangs war er freundlich. Er lächelte, winkte, sagte nette Dinge über meine Rosen. Doch dann fiel mir etwas Seltsames auf: Jedes einzelne Mal, wenn ich Wäsche aufhängte, zündete er seinen Grill an. Immer.
Ich hängte Handtücher auf? Rauch. Ich hängte Bettlaken auf? Grill gestartet. Er schob das riesige Ding sogar bis an den Zaun, damit der Rauch direkt auf meine frisch gewaschene Wäsche zog.
Erst dachte ich an Zufall. Dann an Provokation. Als ich das dritte Mal alles nochmal waschen musste, weil es nach verbranntem Fett und Grillanzünder stank, war ich sicher: Das war Absicht.
Ich sprach ihn an.
— Rafael, darf ich fragen, warum du jedes Mal grillst, wenn ich meine Wäsche aufhänge?
Er grinste schief und sagte:
— Ich genieße einfach meinen Garten. Ist das nicht das, was gute Nachbarn tun?
Ich war sprachlos. Aber ich war nicht besiegt.
Ich redete mit Frau Lúcia von gegenüber. Sie sagte:
— Liebes, er macht das jedes Mal. Sobald du mit dem Wäschekorb rausgehst, holt er den Grill raus.
Ich versuchte es mit Freundlichkeit. Ich ignorierte es. Doch dann hatte ich eine Idee.
An einem Samstag – seinem typischen Grilltag – begann mein kleiner Gegenschlag: Ich hängte alles auf, was grell, schrill und peinlich war. Neongrüne Badetücher, Superhelden-Unterhosen meines Enkels, und – als Krönung – den knallrosa Bademantel mit der Aufschrift „HOT MAMA NR. 1“, den meine Tochter mir zum Muttertag geschenkt hatte.
Ich wartete, bis seine Gäste da waren, mit Sektgläsern in der Hand und Kameras bereit.
Dann trat ich in den Garten:
— Guten Morgen allerseits! Wunderschöner Tag zum Wäscheaufhängen, nicht?
Rafael erstarrte. Seine Freunde schauten verwirrt. Ich hängte Stück für Stück auf: SpongeBob-Laken, Leoparden-Leggings, Hawaii-Hemden – mitten im Blickfeld ihres schicken Brunches.
Beim dritten Samstag war die Gästeliste schon deutlich kleiner. Beim vierten: kein Grillen. Rafael stand nur da und schaute.
Ein paar Tage später fand ich einen Zettel im Briefkasten:
„Frau Diane, es tut mir leid, wenn ich Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet habe. Das war nicht meine Absicht. Ich habe ein paar Änderungen vorgenommen und hoffe, wir können friedlich nebeneinander leben. – Rafael“
Ich antwortete nicht. Aber am nächsten Samstag hing ich wie immer meine Wäsche auf –
diesmal ohne Rauch.
Ich setzte mich auf meine Veranda mit einem Glas Eistee und lächelte. Tom hätte es geliebt. Ich konnte fast seine Stimme hören:
— Das ist meine Diane… Sie hat nie mehr als eine Wäscheleine gebraucht, um ein Zeichen zu setzen.
Denn am Ende gilt: Nicht jede Schlacht wird mit Worten gewonnen.
Manchmal reicht eine Leine, ein bisschen Geduld…
und ein rosa Bademantel, der mehr sagt als tausend Worte.