„Nein, Mama, nein!“ schrie Johnny und warf sich schluchzend auf den Boden.
Marla Evans warf einen Blick auf die Uhr. Wenn ihr Sohn wieder einen Wutanfall bekam, würde sie erneut zu spät zur Arbeit kommen.
Johnny ging seit zwei Jahren gerne in die Kita. Doch seit einer Woche hatte sich etwas verändert. Jeden Morgen weinte er und flehte seine Mutter an, ihn nicht dorthin zu bringen.
Beunruhigt sprach Marla mit dem Kinderarzt. Der meinte, dass es sich vermutlich um eine normale Phase handelte – die sogenannten „furchtbaren Drei“.
Aber an diesem Morgen, als sie die Angst in Johnnys Augen sah, wusste sie: Etwas stimmte ganz und gar nicht.
Sie kniete sich zu ihm und nahm ihn sanft in den Arm. Johnny klammerte sich an sie, sein kleines Gesicht an ihres gedrückt.
— „Warum willst du nicht mehr in die Kita gehen?“ flüsterte sie. „Sind die anderen Kinder gemein zu dir?“
Doch Johnny schwieg.
Marla seufzte.
— „Schatz, Mama muss zur Arbeit… aber weißt du was? Ich hole dich heute früher ab, okay?“
Plötzlich sah Johnny sie mit großen Augen an.
— „Kein Mittagessen?“ fragte er ängstlich. „Kein Mittagessen, Mama?“
Mittagessen? Marla wurde stutzig. Was passierte dort zur Mittagszeit?
Im Büro bat sie ihre Chefin um einen halben Tag frei wegen eines privaten Notfalls. Zum Glück war ihre Chefin selbst Mutter und hatte Verständnis.
Anstatt Johnny früher abzuholen, beschloss Marla, unangekündigt zur Mittagszeit in der Kita vorbeizuschauen.
Als sie leise einen Blick in den Speiseraum warf, sah sie die Kinder an ihren Tischen sitzen. Sie entdeckte sofort Johnny — neben ihm saß eine Frau, die sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Und was sie dann beobachtete, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Die Frau nahm Johnnys Löffel, füllte ihn mit Kartoffelpüree und drückte ihn grob gegen seinen Mund.
— „Iss!“ befahl sie.
Johnny schüttelte heftig den Kopf, die Lippen fest verschlossen, Tränen liefen über sein Gesicht.
— „Mach den Mund auf und iss!“ sagte sie streng.
Johnny war sichtlich verzweifelt. Als er protestieren wollte und den Mund öffnete, schob die Frau ihm blitzschnell den Löffel hinein. Er verschluckte sich und spuckte alles wieder aus.
Das war zu viel.
Marla riss die Tür auf und stürmte in den Raum.
— „Fassen Sie mein Kind nicht an!“ schrie sie wütend.
Dann sprach sie mit kontrollierter Stimme:
— „Sehen Sie nicht, dass er genug hat? Johnny ist gesund, aber er isst nun mal nicht viel. Als Erzieherin sollten Sie wissen, wie traumatisch es für ein Kind sein kann, zum Essen gezwungen zu werden.“
— „Einem Kind das Essen mit Gewalt in den Mund zu schieben, ist völlig inakzeptabel! Diese Kinder sind keine Puppen, die man nach Belieben manipulieren kann!“
Die Frau wurde knallrot im Gesicht und stand auf.
— „Ich wollte doch nur helfen…“ stammelte sie.
— „Wenn so etwas noch einmal passiert, sorge ich persönlich dafür, dass Sie Ihren Job verlieren. Ich werde mein Kind nicht in eine Einrichtung schicken, in der es schlecht behandelt wird!“
An diesem Abend sprach Marla lange mit Johnny. Am nächsten Morgen gab es keinen einzigen Protest.
Und in den nächsten zwei Wochen tauchte sie unangekündigt jeden Mittag in der Kita auf.
Die Frau zwang Johnny nie wieder zum Essen — und bald war er wieder fröhlich und voller Vorfreude auf den Tag in der Kita, wie früher.